Donnerstag, 3. April 2014

Fahre mit der Ringbahn zur Feierabendzeit. Wie viele Motzverkäufer und weitere Obdachlose es gibt, die um Spenden bitten. Es sind so viel mehr geworden. Dieser hat viele Taschen und Beutel auf den Schultern, schwankt und riecht schon etwas. Tritt an einen Vierersitz mit biertrinkenden Handwerkern, wird abgewiesen. Einer trinkt sein Bier aus und reicht es ihm als Ersatz, es wird in den Taschen verstaut.
"Hey, Meester", ruft ein zweiter der vier und reicht seine Bierflasche hinterher, "heute is' dein Glückstag!"
"Würde ich nicht so sagen", brummelt der als Antwort in seinen Bart und nimmt die Flasche. Habe nur ich es gehört? So kontrolliert, trotz des Schwankens, so ehrlich, trotz der Bittstellerlage, und so weise gegen die Milchbärte der Handwerker, die rund genährt in ihren Blaumännern feixen. Was für eine Wolke zieht da in meinem Kopf auf, gebe ihm selbst aber auch kein Geld.

Wie anders die Situation kurz zuvor, S-Bahn Sonnenallee. Sehr gut gekleideter Junge mit Migrationshintergrund sitzt mir gegenüber, zartes Brusthaar im aufgeknöpften Hemd. Neuköllner durch und durch, wie ich. Ich habe schon gesehen, dass eine leere Pilsator-Flasche kurz hinter seinem Fuß unter der Bank abgestellt ist. Aber das sagt man sich gegenseitig in der S-Bahn ja nicht: "Sie haben da eine leere Flasche am Fuß, aufpassen!" 
Natürlich fällt sie plötzlich um, er hebt sie auf, sieht mir verwundert ins Gesicht, ich zucke mit den Schultern. Um die Situation zu klären, steckt er die Flasche einfach in ein Flaschennetz seines Rucksacks. So pragmatisch ist der Neuköllner, der echte, auch wenn er Seide trägt.
Wie anders die Situationen, und wie verbindend das Element.