Donnerstag, 3. April 2014

Der Gottesdienst steuert auf seinen orgiastischen Höhepunkt zu. Mit wildem Gekreisch wird getanzt, zunehmend auch gerempelt. Steifbeinig schlingern kahle Rotgesichter aneinander, aus den Trommeln der Tanzfüße wird zunehmend ein Grollen brüllender Kehlen. Geschupse, Gestoße, aber auch lustvolle Schreie aus dunklen Ecken. Der Boden bebt, unverholen verängstigt sehe ich zu C., der Hörner aus der Stirn gewachsen sind. Um ihren Hals windet sich eine gewaltige gelb-schwarze Schlange, die mich anstarrt.
Die Meute verlangt ein Opfer, die Priesterin gibt ein Zeichen. Die Narbengesichter, mittlerweile ganz entkleidet, greifen mich an Hand- und Fußgelenken und heben mich zum Altar, dem Billardtisch in der Ecke, worauf ich gelegt werde. Jemand zieht mir einen Schuh vom Fuß, unzählige Arme halten mich, jemand lutscht Wodka von meinem Fingern, meine letzte Stunde hat geschlagen. Da springt C. auf den Tisch, und beginnt einen Veitstanz, entfaltet Fledermausschwingen an ihrem Rücken. Die Menge weicht zurück, mancher Griff lockert sich, und ich nutze die Lücke der Aufmerksamkeit, um vornüber vom Tisch zu springen. Am Fuße des Brunnens entdecke ich den Zwergenstiefel, sein Besitzer patscht im Rhythmus eines Schlagers blanknackt in der obersten Schale herum, als würde er in Regenpfützen springen. Meine Hand gleitet in den Stiefel und fischt etwas Hartes heraus, der Schlüssel.
Die Meute hat begriffen, dass ihr Opfer zu entschwinden droht. Doch hinter den entfalteten Schwingen von C., die weit aufgefaltet den Schankraum teilen, trauen sie sich nicht vorbei. In größter Eile treffe ich das Schloß und öffne.
"Ich jeh jetzte, muss ja morgen noch arbeitm", rufe ich und trete ins Freie.
Da erklingt unvermittelt drinnen ein Gelächter, steigt auf wie eine Silvesterrakete und zerplatzt in hundert, sprühenden Lichtern. Befreites Auflachen, gehässiges Johlen, Pfiffe. Ich schließe die Tür, werfe den Schlüssel ins Gebüsch, eile um die Ecke, laufe voran. In Sicherheit.

"Ich war gestern noch im Biertempel", sage ich.
"Und kannst du dich daran erinnern?", fragt er.
"Nein, eigentlich nicht."